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Fiasko

Fragmente nach dem Roman von Imre Kertész

Film, Buch

Der Splitscreen-Fotofilm, realisiert in Zusammenarbeit mit Janet Riedel und Gusztáv Hámos, beschreibt einen Neubeginn, nach Auschwitz, in einem menschenverachtenden totalitären System, dem Stalinismus, so wie es der Kertész selbst erlebt hat. Thematisiert werden im Grunde einfache existenzielle und damit hoch aktuelle Fragen: Wer bin ich? Was ist Glück? Wozu bin ich geeignet?

"Als wir anfingen Kertész Roman genauer zu studieren und Fragmente auszuwählen, trafen wir für die fotografisch-filmische Umsetzung ganz bewusste Entscheidungen:

  1. Die Protagonisten, die Kertész beschreibt, sind in unseren Bildern abwesend, nur im Geist sind sie anwesend. Sie werden nicht von Schauspieler*innen verkörpert dargestellt. Steinig ist auf unseren Fotos zwar abwesend, aber wir denken ihn dort hinein, wie in einem Traum, der mit uns ein Spiel treibt, so als ob wir nicht anders könnten, als nur von seinem Leben zu träumen.
  2. Die Stimme Steinigs ist auch die Stimme des Erzählers. Diese Stimme spricht in der Ich-Form für Steinig und als Erzähler über ihn. Diese Verdopplung funktioniert wie eine Gegenwartserinnerung: Erfahrung und Erinnerung spalten sich in der Gegenwart voneinander ab. In der Montage von Text und Bild entsteht dann eine Überlagerung von Zeiten, eine spannende Doppeldeutigkeit.

  1. Die Zeit, in der die Handlung spielt, definiert Kertész in seinem Roman nicht. Die Betrachter*innen erahnen, leiten ab, assoziieren, deuten. Der Fotoessay versucht nicht Kertész Roman zu bebildern oder zu illustrieren, sondern begibt sich in einer detektivischen Fallstudie, viele Jahre nachdem, die im Roman beschriebenen Ereignisse stattgefunden haben, auf die Spuren des »Verbrechens« der totalitären Diktaturen.
  2. Das Splitscreen-Verfahren ist die logische Entsprechung von Vermittlung, der im Roman angelegten Verschiebungen und Spiegelungen: Die Fotografien zum Roman sind in der Gegenwart entstanden, die Spuren der vergangenen Gesellschaftssysteme zeigen sich in Überlagerungen, in ambivalenten Gleichzeitigkeiten und in merkwürdigen Verdopplungen. Diese Bilderpaare sind fotografische, filmische und psychologische Notationen, die für die Textfragmente in Form von Panoramen, Stereofotografien, Spiegelungen und Bilderserien erarbeitet wurden."

D 2010, 32 Minuten, 35 mm, dt. OV mit engl UT, 1:1.85, Dolby SR, Farbe

"With Fiasco, an homage to La Jetée by Chris Marker is proposed: in a nameless airport in a large, foreign yet familiar city, a man is searching for a way to survive, in a system which has condemned all those people who have not yet lost their belief in the individual and in freedom."

(Curator Nathalie Hénon et Jean-François Rettig, Rencontres Internationales Paris/Berlin/Madrid )

Buch

Fiasco - A photonovel by Janet Riedel, Katja Pratschke und Gusztáv Hámos with fragments of Imre Kertész book

Berlin 2014, 144 pages, 349 colour photographs, 17x24 cm, Hardcover, English,
ISBN 978-3-95763-102-2 revolver-publishing.com
(Hg.) Concrete Narrative Society e.V.

The photonovel transforms Imre Kertész’ literary method into a visual language: by joining fragmentary elements from the past and the present, by finding traces that link experience and remembering. The book with its filmic images moves the «reader» to think movement; by flicking through the book, the editing, the montage is effected through the reader’s exploration of it.

[…] In Fiasko geht es um so etwas wie »Leben erobern durch den Roman« und zugleich »Leben entwerten durch den Roman«. Es geht darum, dass das Leben da draußen, irgendwo in der Nacht oder jenseits von ihr, […] bankrott gegangen» war: »Vielleicht hatte es bereits mit seiner Geburt angefangen – nein, vielmehr mit seinem Tod, genauer seiner Wiedergeburt; Steinig hatte nämlich seinen eigenen Tod überlebt, war zu einem gewissen Zeitpunkt, da er hätte sterben müssen, nicht gestorben, obwohl doch alles bereits dafür vorbereitet gewesen war, eine organisierte, in aller Öffentlichkeit abgesegnete, erledigte Sache…«.) […]
(Wirklichkeitszerfall und das Konkrete, Nachwort von Hinderk Emrich)

[…] Steinig läuft nach seiner Rückkehr aus dem «Ausland» (aus Auschwitz, aus Buchenwald) durch Straßen, die ihm gleichzeitig fremd und bekannt vorkommen. Erinnerungen an die Geburtsstadt: Budapest, Déjà-vus (»aus seinen Träumen, aus Kinobildern, Prospekten, illustrierten Reiseführern«) überlagern sich mit der Stadt, in die er zurückkehrt und die sich offensichtlich durch den Krieg stark verändert hat. So sind die Bilderpaare des Fotoessays Fiasko auch nicht unbedingt miteinander kongruent, sie zeugen vielmehr von zeitlich-räumlichen Verschiebungen, sie sind die logische Entsprechung von Vermittlung, der im Roman angelegten Verschiebungen und Spiegelungen. […]
(Zeit-Reise-Bilder, Vorwort von Gusztáv Hámos)

Texte

András Forgách: »The Success of a Fiasco«, in: Photofilm_02, Berlin: Revolver Publishing, 2022

Gusztáv Hámos: Time-Travel-Images, in: Fiasco, A photonovel, based on fragments by Imre Kertész book, Berlin: Revolver Publishing, 2014

Hinderk Emrich: »Collapse of Reality and The Concret of Concreteness, Epilogue.«, in: Fiasco, A photonovel, based on fragments by Imre Kertész book, Berlin: Revolver Publishing, 2014

Hinderk Emrich: »Trauma and Concreteness in Film: Represented in the Photofilm Fiasco (2010) by Janet Riedel, Katja Pratschke and Gusztáv Hámos, based on Imre Kertész’s Homonymous Novel«, in: Michael Elm, Julia B. Kohne (Hg.): The Horrors of Trauma in Cinema, Cambridge Scholars Publishing, 2014

Jasmin Meinold: Über den Status des fotografischen Bildes in Fiasko, Bachelorarbeit, Hochschule der Bildenden Künste Braunschweig, Institut für Kunstwissenschaft, 2011

Katrin Bettina Müller: »Der Raum zwischen Bild und Text«, in: Tageszeitung, erschienen am 24.1.2011

Credits

Regie: Janet Riedel

Co-Regie: Katja Pratschke, Gusztáv Hámos

Drehbuch: Katja Pratschke (Originaldrehbuch: Imre Kertész)

Ton und Musikschnitt: Gusztáv Hámos

Schnitt: Katja Pratschke

Fotografie: Janet Riedel

Erzählstimmen: Patrick von Blume, Andreas Mannkopff, Lars Rudolph, Peter Pagel, Ariella Hirshfeld

Musik: Gusztav Mahler, Dimitri Shostakovich, Einstürzende Neubauten, J. S. Bach, The Klezmatics, Trevor Duncan

Produktion, Vertrieb: Janet Riedel

Produktionsassistentin: Gertrud Czinki

Verleih: Arsenal Distribution

Förderung: Medienboard Berlin-Brandenburg, Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein, Filmstiftung NRW, Kuratorium junger deutscher Film, BKM

Projektionen

»Verdade/Truth«, Filmprogramm, MAAT-Museu de Arte, Arquiteture e Tecnologia, Lisboa, 2020

Kunsthochschule Weißensee, FB Raumstrategien, Seminar Fotofilm, 2018

»Photofilm: Sampling The Archives«, Open Society Archiv Budapest der CEU, Verzio Human Rights Documentary Film Festival, Budapest, 2017

Museum Judengasse Vorführung und Gespräch, Moderation Ole Frahm, 2017

Open Society Archive Budapest, Vorführung/Vortrag, 2017

»analog_digital_Fotofilm« (Filmprogramm), Filmarchiv Wien, 2017

Focus Section Silvestre: Katja Pratschke & Gusztáv Hámos, Indie Lisboa 2017

»Cinema Think«, Villa Romana, Florenz, 2014

Metropolis Kino Hamburg, Einführung Hinderk M. Emrich, 2014

»K comme Kant«, Gaite Lyrique, Paris, 2013

MIT / 8th Annual European Short Film Festival, 2012

»Photofilm«, Yerba Buena Centers of the Arts, San Francisco, 2012

»Photofilm«, National Gallery of Art Washington, 2012

»Still-Story«, Fotokuu Tallinn, Monat der Fotografie, 2011

Filmmakers Choice, Kino Arsenal Berlin, 2011

Akademie der Künste Berlin, mit Imre Kertész als Gast, 2011

»Back to The Future«: Fotofilme des 21. Jahrhunderts«, Wechselspiel. Foto-Film-Foto – Triennale der Photographie Hamburg, 2011

Kunsthaus Raskolnikow, 2011

Oberhausen Kurzfilmtage, Buchvorstellung und Projektion, 2010

Rencontres Internationales, Centre Pompidou Paris, 2010

Rencontres Internationales, Filmoteca Espanola Madrid, 2010

Rencontres Internationales, Haus der Kulturen der Welt Berlin, 2010